Das Mannsweib gab es schon immer in der Geschichte der Menschheit. So erwähnte Platon in seinem „Gastmahl“ das „Mannweib“, das von Göttern in zwei Hälften getrennt worden sei. Im Kunterbuntergang des Abendlandes heißt es: Hamlet, ein Zwitter, ein Hermaphrodit, ein Mannweib oder ein Weibmann. Auch Himmlers Frau Marga wurde als Mannsweib von einigen Nazibossen bezeichnet – laut BILD.
In der gesellschaftlichen Definition der Nachkriegszeit gelten Frauen als Mannsweiber, die im Erscheinungsbild des männlich geprägten Frauenbildes „unanständig“, „frivol“ oder „zügellos“ in Erscheinung treten. Das ist ja vielerorts heute auch noch so, wobei die Bezeichnung „Lesbe“ im gleichen Atemzug mit- oder nachgereicht wird. Ob das wirklich so ist? (:unknown:)
#metoo
In den letzten Jahren hat sich ein Wandel in der Welt vollzogen. Frauen stehen auf, wehren sich und lassen sich längst nicht mehr alles gefallen. Erreicht wurde das weltweit durch die #MeToo-Bewegung. Und diese Bewegung hat sich auch in anderen Bereiche der Gesellschaft ausgebreitet. Und das macht den Männern, einem Großteil von ihnen, vielleicht nicht Angst – Stichwort Frauenphobie (Phobien sind derzeit angesagt) – es berührt sie aber zumindest unangenehm. Augenhöhe ist das Stichwort. Dieser Wandel dauert seine Zeit, kleine Fortschritte sind hier und da auszumachen.
Mannsweiber
Dragqueens: Die Unterhaltungsshow für schwule Männer
(und andere)
In einem kürzlichen Online-Meeting quälte sich Bit für Bit folgender Satz, ausgesprochen von einer cis-Frau, durch die Leitung:
„Und für unsere schwulen Männer engagieren wir eine Dragqueen.“
(LSKH)
Holla (Protest eingelegt)
Natürlich hat sie es nicht böse oder abwertend gemeint. Diese Aussage ist der Tatsache geschuldet, dass der ganze große Teil der Dragqueens/Männer im überzogenen Stil Frauen verkörpern. Das ist eine Kunstform. Hinzukommt, dass viele schwul sind. Die Bezeichnung schwul ist ja eine sexuelle Beziehungskiste von Mann zu Mann. Und Dragqueens sind Männer. Endresultat: Das Mannsweib für die Männer. Denn wenn die Show vorbei ist, gehen sie als Mann heim, unterschreiben den nächsten Vertrag mit ihrem männlichen Namen.
Es mag hier und da aber welche geben, die dadurch zum Frau-sein finden, das ist aber nicht die Regel. Dragqueens vermittel also ein völlig falsches Bild von Transfrauen, sind aber wichtige Botschafter:innen in Sachen Toleranz und Lebensvielfalt.
Transfrauen: Zwischen den Welten
Transfrauen haben ein anderes Los gezogen. Sie können keinen Vertrag wegen zu schlechter Bezahlung ablehnen. Sie sind (nicht immer) „unscheinbar“, aber absolut tauglich für Lückenfüller in den Medien (besonders mit dem falschen Körper), werden aber gesellschaftlich oft abgelehnt – auch von Teilen der Community. So sind schon mal Transfrauen bei Frauen*/Männer* nur mit männlichem Geschlechtsteil begehrenswert. Folgt die OP oder ist sie angedacht, erledigt sich das Thema „Zuwendung“ dann ganz schnell. Durfte ich selbst erleben. Liegt ja auch auf der Hand: An jeder Ecke steht etwas, was oftmals weiblicher im Erscheinungsbild ist.
Eines darf man nicht vergessen: Je später man die Transition vornimmt, desto geringer der Erfolg, das Erscheinungsbild in seinem Sinn ändern zu können. 30 Jahre und mehr Testosteron im Körper, können keine Östrogene rückgängig machen. Das muss man wissen. Da das Frauenbild von Männern definiert, von Frauen verbreitet wurde und wird, ist es von Vorteil, wenn Trans* möglichst früh mit der Transition beginnen, um zu dem Wunschergebnis zu kommen, das sie von ihrem Frau-Sein haben. Ansonsten wird der Weg lang, sehr lang.
Der Weg zu sich Selbst
Ich schrieb einmal zu den Farben der Transgender Pride Flag, die der Farbenlehre der heteronormativen Gesellschaft angelehnt sind:
Vom Mann (hellblau), zur Frau (rosa) zu mir (weiß)
Ich habe eine männliche Erziehung „genossen“ und bin im Sinne des Bildnisses des Mannes, wie er zu sein hat, gelenkt worden – ob ich wollte oder nicht. Als ich den Weg der Transition gehen konnte, hatte ich ein Bild von einer Frau in Kopf. Es war mein Bild von einer Frau, aber doch nicht ich. Dieses Bild wurde durch Männer geprägt. Das habe ich viele Jahre später herausgefunden, um nicht zu schreiben: vor drei Jahren, denn ich will mich keinen der „dominierenden“ Frauenbildnisse anpassen, gar mich ihnen unterwerfen. Weder dem, was von Frauen geprägt wird, was letztendlich doch wieder ein Männerbildnis ist, noch von dem der Männer.
Das Mannsweib im Sternzeichen des Zweigeistes
Den entscheidenden Schritt gab es nicht, erst durch eine Vielzahl kleinerer Schritte und Vorkommnisse, die mich dahin brachten, wo ich heute bin: selbstbewusst meine Geschlechtsidentität und kein Geschlechtsausdruck leben.
Ich will ich sein und die letzten Jahre (vielleicht auch noch ein Jahrzehnt) mit meinem Leben füllen, nicht umgekehrt wie die Jahrzehnte zuvor – ein Leben mit Jahre.
Und wie ich mich ausdrücke und präsentiere, liegt ganz bei mir, denn Maverique (Zweigeist) ist kein Überbegriff, der wäre eher nonbinär, sondern eine spezifische Geschlechtsidentität. Und dass diese Identität durch das „dezente“ Erscheinungsbild der Frau hier und da sehr nahe kommt, trägt zu meinem Seelenfrieden bei. Ich bin das, was andere auch gerne sein würden, den Zugang dazu aber noch nicht gefunden haben.
Ich muss keine Rolle spielen. Wenn ich will, kann ich eine spielen, mime Don Leonardo oder Gigola auf dem nächsten CSD oder zu meinem Geburtstag – ohne mich anstrengen zu müssen. Ich kann „unsichtbar“ durch transfeindliche Viertel der Stadt gehen oder aber auch sie stirnrunzelnd stehen lassen: Mannsweib? Nur Allah weiß es. Und ich natürlich. Verstärkt wird alles noch durch die Haarlänge von 12 mm, dem Überlebensrucksack statt einer Damen(Hand)Tasche und dem fehlenden „klassischen“ weiblichen Look. So gesehen bin ich ganz nahe bei vielen Frauen, den Mannsweibern. René Kuhn beklagt in seinem Buch selbige Eigenschaften bei den Frauen und fordert: Zurück zur Frau.
Das verwirrt auch einige Trans* in der Community. Die Rolle als Rapunzel bekomme ich jedenfalls nicht von ihnen, erst mit langen Haaren. Da hilft auch nicht der Hinweis auf die Brüder Grimm und dass der Wohnsitz Hanau ist. Wie viel Mann sie wohl in ihr Frau-sein mitgenommen haben?
Ich frage mich aber schon seit geraumer Zeit, ob ich auch ohne die vielen Operationen da wäre, wo ich heute bin. Ich denke eher nicht, denn die Operationen waren schon wichtig. Vielleicht wäre vieles einfacher, wenn die Gesellschaft anders ticken, sie offener mit der Vielfalt umgehen würde, denn, braucht es unbedingt einen Geschlechtseintrag, das ewig-gestrige heteronormative Rollenbild?
Mal schauen, was die Zeit neben den Mannsweibern noch an Gedanken bringt. Denn der Weg ist noch lange nicht zu Ende.
Man entdeckt sich immer wieder aufs Neue.
In diesem Sinne. cu
Bildnachweis: Dragqueen by Greta Hoffmann (pexels)