Pinkwashing oder mehr? Vielfalt-Parkplätze

Pinkwashing oder mehr? Vielfalt-Parkplätze

Wenn an einer Parade für Vielfalt (CSD Frankfurt u.a.) Menschen daran teilnehmen, die neben dem Fun noch 10 Gramm Ernsthaftigkeit mit einem Schild hochhalten, dann fragt man sich schon, ob nun alles erreicht wurde. Dass Banken, Parteien, Firmen und auch Behörden sogar mit einem Wagen an der Pinkwashingparade teilnehmen, zeigt mehr oder weniger: Wir können uns zurücklehnen. Alles erreicht.

Die kleine Regenbogenwand im Parkhaus

Gestern bekam die Trans*Beratung Hanau ein Schreiben aus Mainz (Wiesbaden) vom ZDF:

Sehr geehrte Damen und Herren;
Im Zuge einer anstehenden Berichterstattung über die in Hanau eingerichteten Vielfalt-Parkplätze bitte ich Sie um einen dringenden Rückruf …

Mit freundlichen Grüßen

M. (ZDF)

Ich hätte nicht gedacht, dass diese drei Parkplätze eine derart mediales Echo auslösen. Selbst die Süddeutsche hat sich den drei Parkplätzen angenommen. Und jetzt das ZDF. Alles wegen des Regenbogens an der Wand, nebst Schild.
Ich habe eine nette Absage an die Mainzer Garde geschickt, denn die Vielfalt endet in Hanau sehr oft vor und hinter den Türen. Von daher braucht es diese Wand nicht, die nur mediales Pinkwashing darstellt.

Guten Morgen M.,

ich kann Ihnen da leider nicht behilflich sein. Zum einen benutze ich den ÖPNV, zum anderen hört die Vielfalt oftmals hinter den Türen auf. Es gibt wichtigeres als Regenbogenparkplätze.

Freundliche Grüße

Anika F.

Vielleicht nimmt sich der CSD-Verein in Hanau den Mainzern an, denn die haben es auch nicht so mit der Vielfalt, ersparen sich auch das gendern. Genauso wie auch der Hanauer OB in einem Schreiben den Hanauern Schreibstuben in einer Weisung ins Stammbuch schrieb.
Und mit „Sehr geehrte Damen und Herren“, fühle ich mich in Anbetracht der gesetzlich verankerten „Diversität“ im Personenstandswesen nicht angesprochen.

Corona sei Dank

Der Stadtrat Thomas Morlock bekundet, dass diese Parkplätze für alle, es Parkplätze wie die anderen auch sind. Warum braucht es dann den Regenbogen? Als „Schutzraum“?
/me schaut fragend über den Brillenrand (irc-Übersetzung: Anika schaut fragend über den Brillenrand).

Mal unter uns: Wenn ich Angst habe, mich nicht outen und auch keine Probleme wegen des Regenbogens bekommen will, einfach heteronormativ wie die Hanauer Gesellschaft ist, mein Auto abstellen möchte, dann stelle ich mich auf den Behindertenparkplatz …

Zurück zum Stadtrat. Der SZ steckte er, dass diese drei Parkplätze auf Anregung des CSD-Vereins Hanau eingerichtet wurden, als Zeichen der Vielfalt, weil wegen steigender Inzidenzzahlen der CSD nicht am 2. Oktober in Hanau stattfinden konnte (Absage am 23.09.). (:fool:) (laut RKI für MKK 88,7 ↘ – 23.09.2021).
Überall fallende Werte: Bundesweit, Frankfurt, Offenbach, MKK, nur nicht in dem 16 m² großen Raum über der Trans*Beratung/Aids-Hilfe Hanau. Dort stiegen die Werte derart an, dass dort hessenweit der höchste Wert auszumachen war, weswegen es auch keinen CSD gab.

Gut, dass es diesen Virus für Ausreden, Haushaltssanierungen, kaschieren von Unfähigkeiten, Bambule und mehr gibt. Es gilt aber immer und überall:
Wichtig ist dann eine inhaltliche überzeugende Aussage/Begründung für jene, die nicht nur ihre Schuhe mit der Beißzange anziehen…

Ich will jetzt nicht auf vielbunt, den stattgefundenen CSD in Darmstadt deuten, wo die Inzidenzen weitaus höher waren, der CSD ein voller Erfolg mit all den Maßnahmen wurde, und wieder mal nur anmerken: Am 24.09. demonstrierten in Frankfurt zig tausende Menschen für den Klimawandel und in Gelnhausen stemmten zwei queere Menschen den dortigen „Klimagipfel“ im Main-Kinzig-Kreis. Steve Euler vertrat dort „Queer*Main-Kinzig“ und ich die Trans*Beratung „ANDERSraum“. Ebenso waren u.a. vor Ort: „Hand aufs Herz“, „Greenpeace“, „Senioren gegen rechts“, „People for Future“ oder auch die „Freiraum-Schule“ (schöner Name für eine Schule). Anderswo sind wegen der Sichtbarkeit drei Parkplätze unter der Erde in Regenbogenfarben wichtiger.

Eine Knautschzone im Hanauer Parkhaus

Pinkwashing
Hier kann komfortabel und sicher geparkt werden, woanders, zwei Reihen weiter, nicht mehr.


Ich habe mir das mal angeschaut. Sieht ja nett aus, vor allem schön bunt. Die Farben sollen ja zeigen, dass die Stadt Hanau weltoffen ist. Ein Trost: Wenigstens haben sie nicht das neumodische Farbenspiel im Regenbogen an die Wand gepinselt. „Schwarz-Braun ist die Haselnuss“ braucht im Regenbogen kein Mensch. Die Transfarben ebenso wenig.

Ich stelle mir aber schon die Frage, warum am Ende des Parkhauses der Regenbogen an die Wand gemalt wurde, wo es keinen Aufzug gibt? Behindertengerecht sieht anders aus. Oder haben queere Menschen kein Handicap? Den Aufzug gibt es bei Aufgang A, aber nicht bei B, C und D. Und bei den Toiletten angekommen… Ich jetzt muss nicht extra erwähnen, dass dort die Vielfalt endet, wie überall in Hanau. Dafür gibt es die Diskriminierung mit 50 Cent dazu.

Toilettenanlage im Parkhaus
Hanauer Diversität am stillen (oder lauten) Örtchen

Aber, hier ist vielleicht Besserung in Sicht. Mit dem Beauftragten der Stadt habe ich ein gutes Gespräch gehabt. Mal schauen, ob die Kooperation ausgebaut werden kann, die Diversität wenigstens nicht vor den Toiletten der Stadt endet …

Pinkwashing oder gelebte Vielfalt in Hanau?

Hanau bemüht sich augenscheinlich, auch der OB, aber die Stadt, nebst Vertretern, ist noch ganz weit weg von Akzeptanz & Vielfalt. Ich weiß, wer zu mir in die Beratung kommt, ich weiß, was sie nicht können, weil die Ämter, das Schulwesen und die Hanauer Gesellschaft noch lange nicht bereit für die Vielfalt sind.
Beispiel: Ich war die einzige, die bei der Senioren-Beiratswahl einen Ausweis vorzeigen musste. Ich hätte die Wahl anfechten sollen, da die Voraussetzungen, während der Vorstellung, nicht für alle Kandidaten gleich waren. Das Bürgerwesen sprach Bände und die Vielfalt erlitt an diesem Nachmittag Schiffbruch.

So wie eine Hasenpfote in der Hosentasche aus einer Frau noch keinen Mann macht, alte Socken in einem BH aus einem Mann noch keine Frau (Stichwort Transition). Ein Regenbogen in der Tiefgarage zeigt deswegen noch lange nicht, ob die Akzeptanz für Vielfalt in einer Region gelebt wird, trotz vieler „Offen für Vielfalt“-Schilder an Fenster und Türen.

Es gibt noch viel zu tun. Auch dort, wo die Morde geschahen. Die betreiben wenigstens kein Pinkwashing.

Beitragsbild „Pinkwashinhg“ aus der Tiefgarage Marktplatz in Hanau

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