genderwahn: Angriff auf die Geschlechtervielfalt

genderwahn: Angriff auf die Geschlechtervielfalt

Polizisten hatten in Berlin zur Straßensperrung beim Berlin-Maraton den Hashtag #genderwahn in einem Tweet benutzt, was nicht sonderlich gut angekommen ist. Verständlich. Die Polizei entschuldigte sich (war keine Absicht) und löschte den Tweet. Man kann generell hinterfragen: Was hat Genderwahn mit einem Marathonlauf gemein?


Antwort: Die Vielfalt (das steht fest – ohne Wenn und Aber).

Die Geschlechtervielfalt als Genderwahn

Ich möchte heute gar nicht auf die AfD mit ihrer Definition des „Genderwahn“ eingehen, denn von jenen, die derart abfällig über die Geschlechtervielfalt reden, hat keiner verstanden, worum es geht. Dort ist der jahrhundertelange Brauch der zwei Geschlechter in den Gehirnwindungen eingebrannt, wozu die Kirche einen erheblichen Beitrag geleistet hat. Ich kann es nachvollziehen, dass es da manchem zu viel wird. Mann – Frau – Inter, Trans sind nur vier Geschlechterdefinitionen, die schon die Sicherungen durchknallen lassen. Und es gibt noch viel mehr. Ich setze heute noch einen drauf und frage in die Runde:

Über welches Geschlecht reden wir?

Ja, richtig gelesen. Über welches Geschlecht reden wir?

Reden wir über das äußerliche Geschlecht oder über das hormonelle Geschlecht? Oder ist es nicht doch das Hebammengeschlecht, gefolgt von dem Zuweisungsgeschlecht? Das sind jetzt nur vier Begriffe, die alle in der Diskussion um Genderwahn vorkommen, ohne genannt zu werden, die wissenschaftlich belegt und per Gesetz geregelt sind. Die Hebamme schaut dem kleinen Wesen zwischen die Beine und bestimmt das äußerliche Geschlecht. Der Vorgang wird amtlich festgehalten und das Geschlecht wird dann per Geburtsurkunde festgelegt – auf immer. Das nennt sich dann Zuweisungsgeschlecht. Was in dem kleinen Wesen sonst noch ist, interessiert nicht. Bis zu dem Tag, wo alles anders wird. Das kann sich in ganz frühen Kindertagen bemerkbar machen, aber auch erst später. Nun werden gottlob die Hebammen auf das Thema sensibilisiert, auf Besonderheiten hin geschult.

Jetzt habe ich nur vier Geschlechtsdefinierungen aufgelistet. Kennen tue ich nach dem Vortrag von Lucie Veith auf der Veranstaltung „Trans in Frankfurt“ mehr.

[Video auf YouTube nicht mehr verfügbar]

Was verbirgt sich hinter der gemeinten Geschlechtervielfalt?

Genderwahn oder Geschlechtervielfalt
Die Geschlechtervielfalt am Boden

Jeder kennt Facebook, wo einiges zur Auswahl steht. Gesetzlich gibt es aber in unserem Lande derzeit zwei Geschlechter: Mann und Frau. Es gibt zwar Bestrebungen dies zu ändern, die auch rechtlich durchgesetzt wurden (LSVD), aber die Regel sieht anders aus.

Zugegebenermaßen: 20 Geschlechter weniger würden mir auch reichen (Bezugnahme zum Bild), denn so manche Geschlechtsdefinition ist diskussionswürdig. Ich würde eher die Eigenschaft des „Geschlechtsinhaber“, das soziale Geschlecht, als Definition ins Spiel bringen, als das vorangestellte Geschlecht. Aber das ist dann wiederum für die Universitätsgänger zu schnöde oder zu einfach gestrickt. Davon abgesehen bin ich nicht die Welt.

Mittlerweile sind einige Geschlechtervielfaltvertreter:innen richtig schräg unterwegs. Da heißt es: „Es ist unser gutes Recht …“. Stimmt. Aber die andere Seite hat auch das Recht, nicht ständig mit irgendwelchen Geschlechtergeschichten (Genderwahn) konfrontiert zu werden. Wer weiß dann, was ein Guydyke ist oder wie sich Femme definiert?

Bisschen Verständnis für jene aufbringen, die fern von studierenden Gendernauten aufgewachsen sind, wäre auch nicht verkehrt. Und praxisorientiert des Weges gehen, ist nicht die schlechteste Wahl. Man kann Femme auch in zwei Sätzen erklären, man muss nicht in einen gestenreichen 10-Minutenvortrag verfallen. Der Vorteil: Zuhörer ist noch ganz Ohr, Femme* ist auch noch da. Im Nebeneffekt wird dem Genderwahn ein wenig die Gruseligkeit genommen.

Die Sprache im Genderwahn

Ich bin ein sehr erdverbundenes Wesen. Und natürlich gibt es bei mir eine Mondgöttin, was auch das Amtsgericht Frankfurt akzeptiert hat, aber ich singe nicht „Die Mondin ist aufgegangen“. Ich bekomme auch nicht immer hin, die weibliche Auslegung dem männlichen Wort überzustülpen. Beispiel: Leser:in. Sprachlich ist der Unterstrich eine kleine Pause, bevor dann das „In“ folgt. Nicht mal in der Schriftform gelingt es flüssig von Hand. Nur mit viel „nochmal lesen und verbessern“. Das bin aber dann nicht mehr ich und ich habe das Recht so zu schreiben, wie es mir in einer anderen Zeit eingebläut wurde. 15 Jahre „Frankfurter Schule“ werfe ich auch nicht wegen einer Mondin/Mond:in in den Main. Es dauert seine Zeit, bis ich das drauf habe.

Jule
Findelkind aus Frankfurt (Südbahnhof). Nach langer Forschung und Hinterfragung ist Pronomen „es“.

Interessant ist auch, dass selbst die Verfechter des Gendergab ganz schnell das Gendern sein lassen, wenn es zur Sache geht. Dann ist die Diskriminierung bei Fuß – ungewollt. Es ist auch gar nicht einfach, alte Sprachmuster durch neue Formen zu ersetzen.

Die „einfachste“ Übung: Mal eine Stunde auf der Arbeit oder wo auch immer, geschlechtsneutral zu reden. Das war eine Aufgabe während meines Lehrganges im Waldschlösschen. (geschlechtergerechte Ansprache FAZ-Artikel)

Für den Alltag ist die Erdverbundenheit besser zu gebrauchen. Als Genderfachidot werde ich kaum Zuspruch am Stand bekommen, wenn ich die Fahne für Trans* am TDoR-Tag hochhalte. Es ist auch keine Schande nachzufragen/nachzulesen, wenn man z. B. mit genderfluid konfrontiert wird.

Ganz geschickt entzieht man sich dem Thema mit der Gegenfrage (ich gehe zum Anfang des Beitrages):

Über welches Geschlecht reden wir nun?

Über das äußere oder das innerere anatomische Geschlecht? Über das psychische (gender identity) oder das gonadale Geschlecht? Das ist eine Frage, die zu Anfangs geklärt werden muss, denn sonst läuft der Meinungsaustausch mit diesem Thema gänzlich am Thema vorbei.

Beispiel: „femme und „butch“ sind Bezeichnungen in der Lesbencommunity für Lesben, die das weibliche bzw. das Männliche im heterosexuellen Stereotyp verkörpern. Es ist ein soziales Geschlecht, aber kein äußeres -, chromosomale -, hormonelle- oder gar gonadale Geschlecht. Für den Normalbürger (kein Gendernaut) sind es Frauen (Blick auf das äußerliche Geschlecht), die dem gleichen Geschlecht (äußerliches- und hormonelle Geschlecht) zugeneigt sind. Punkt. Aus. Vorbei der ganze Genderewahn.


29.10.2017 Nachtrag:
Ich als sogenannte „Transfrau“ zähle in der Regel nicht zu den Frauen, kann nicht lesbisch sein, da der Mann in mir ist, so die Argumentation des harten Kerns der lesbischen Community (TERF). Ich werde dann ausgegrenzt und das nicht auf die sanfte Art. Ich müsste in mir ein anderes soziales Geschlecht aktivieren, für das es im Genderlexikon noch keinen Begriff gibt. Jenes Geschlecht kennen die Hüter der(s) Genderg(r)ab nicht, um dieser erniedrigenden Ausgrenzung Einhalt zu gebieten. Das war vor ihrer Zeit. Dann hätte „femme & butch“ bei ? Trans* ganz schlechte Karten.

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