Als Klimaaktivist:in weht einem derzeit ein rauer Wind aus der Gesellschaft, mit der Staatsmacht entgegen. Eine „RAF“-Klimaaktivist:in der „Letzten Generation“ ist in Berlin zu acht Monaten Haft – ohne Bewährung – wegen zivilen Ungehorsam verurteilt worden. Der Gruppe zufolge ist es die bislang höchste Strafe, die wegen Sitzblockaden gegen ein Mitglied verhängt wurde. Dem zivilen Ungehorsam folgt der Staatsterror. Wieder einmal.
Methoden aus dem Nachkriegsdeutschland
Wegsperren war schon einmal die Lösung aller Probleme, auch im Nachkriegsdeutschland. Wenn Kinder irgendwelche Probleme machten, sich Kindergarten, Schule oder Hort überfordert sahen – Analyse: Kind ist schwer erziehbar – so schaute man im weiten Rund, wo man das Kind unterbringen kann. Entsprach das Elternhaus nicht den gesellschaftlichen Mindestanforderungen (schwierige Verhältnisse im Elternhaus), umso leichter war es für das federführende Amt zum Wohle des „ungehorsamen“ Kindes dann einzugreifen.
Ich hatte Glück, mein neues Obdach hatte keine Gitter vor den Fernstern, wäre heute ein queeres Kinderheim in der hessischen Geschichte, das Erste seiner Art. Viele Kinder wussten anderes zu berichten.
Einzig Ulrike Meinhof – deutsche Journalistin (später Baader-Meinhof-Gruppe) und Mitbegründerin der RAF) – hatte dieses Verhalten des Staates angeprangert, medial darauf hingewiesen. Führungspersonen der Gesellschaft und vor allem die Erziehungsberechtigten nebst Volk, die eine 3. Reichs-Volksbildung genossen haben, wandten Praktiken an, die bis vor kurzem hierzulande nicht mehr denkbar waren.
Es gehört heute nicht mehr viel dazu, sich nun auszumalen, zu was der Staat mit der verblendeten Gesellschaft noch in der Lage ist. Der Staat driftet in eine undemokratische Regierungsform nebst Bewegung ab. Und die Polizei kommt dabei auch nicht so gut weg.
Ziviler Ungehorsam als Klimaaktivist:in
Verkehrsblockaden ja, Sachbeschädigungen NEIN
Man kann natürlich über die Vorgehensweise der „Letzten Generation“ stundenlang in den Gedankenaustausch gehen. Ich sympathisiere mit der „Letzten Generation“, aber als Klimaaktivist heiße ich viele der Methoden nicht gut.
Es ist nicht zielführend, auf das dringendste Problem dieser und den nachfolgenden Generationen aufmerksam zu machen, in dem man das Brandenburger Tor, der Umwelt zuliebe, mit Farbe „verschönert“. Das bringt niemanden zum Nachdenken, sondern eher die, die man erreichen will, gegen sich selbst auf. Damit ist nichts gewonnen. Wären sie hochgeklettert, Transparent hingehängt, hätten sie vielleicht mehr erreicht.
Die andere Geschichte, die mit einhergeht: Bürger nehmen sich das Recht heraus, Selbstjustiz zu betreiben, weil sie wieder mal an einer Kreuzung in ihrem SUV warten müssen. Der Bestandsschutz ist hier nicht mal ansatzweise zu anzutreffen. Stattdessen bietet die Polizei ihre Schmerzgriffe an.
PETA hatte auf der Zeil in Frankfurt mal eine Performance hingelegt, die so manchen Passanten zum Grübeln brachte. Das war sehr eindringlich. Im Archiv muss irgendwo ein Foto davon sein. (wird nachgereicht).
Nun ist das gemeine Volk nicht mehr so zurückhaltend wie in den frühen 1960er, wo eine Demo noch auf dem Bürgersteig unter Berücksichtigung der StVO stattfand, sondern wirklich bösartig und verletzend unterwegs. Dies bringt augenscheinlich das Leben, der Daueraufenthalt in den (a)sozialen Netzwerken mit sich. Darunter leiden nicht nur die Klimaaktivist:innen, sondern auch die Demokratie.
Und da bin ich allerdings auch der Ansicht …
„Und da bin ich allerdings auch der Ansicht, dass es auch außerordentlich demokratisch ist, wenn es Leute gibt, die trotz all dieser Verbote (Gesetze) die einzige Öffentlichkeit, die dann für sie bleibt, nämlich die der Straße, benutzen und davon öffentlich Gebrauch machen.“
(Ulrike Meinhof)
Was als Klimaaktivist:in tun? Weiter zivilen Ungehorsam leisten?
Diese Frage steht im Raum. Die Vermüllung der Umwelt nimmt zu, der Planet verkraftet den Raubbau immer weniger, sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen sind überschritten, 2015 waren es „nur“ vier. Wohin die Reise geht, ist ersichtlich. Ziviler Ungehorsam ist auch in Anbetracht der politischen (grünen) Ignoranz die derzeit einzige Möglichkeit, den Versuch zu unternehmen, dass Politik einlenkt, nachjustiert, um ein wenig Generationengerechtigkeit herzustellen.
Jetzt ist die 41-jährige Klimaaktivistin zu acht Monaten Freiheitsstrafe, ohne Bewährung, verdonnert worden. Das Ausmaß, gerechnet hat man mit drei bis vier Monaten auf Bewährung, hat Entsetzen bei den Aktivsten ausgelöst. Die Freiheitsstrafe ohne Bewährung wurde wegen versuchter Nötigung sowie Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gegen die Angeklagte ausgesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 Euro beantragt. Weil die 41-Jährige im Prozess angegeben hatte, weiter protestieren zu wollen, sah das Gericht keine günstige Sozialprognose. Diese wäre für eine Bewährungsstrafe erforderlich.
Beitragsbild: telegram
Nachtrag Februar 2024:
Am späten Sonntagabend hatten Bauern bei Wustermark (Havelland) einen großen Haufen Gülle und Mist auf mehrere hundert Meter Fahrbahn der B5 gekippt. Wie die Polizei mitteilte, fuhren mindestens zwei Fahrzeuge in die ungesicherten Hindernisse. Dadurch kam es zu Unfällen, bei denen fünf Menschen verletzt wurden. Außerdem entstand ein hoher Sachschaden.
rbb24
Wo ist hier der Aufschrei der mobilen Gesellschaft?
Nachtrag 23.05.2024:
Anklage gegen „Letzte Generation“
Klimabewegung solidarisiert sich
Mitglieder der „Letzten Generation“ sind wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Aktivist:innen sehen Kriminalisierung. (taz)