Umweltverbände beklatschen den Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung. Den Weg, der zu gehen ist, hat das Gericht aber nicht aufgezeigt, was wieder viel Spielraum für Interpretationen läßt. Zumindest ist aber durch das Urteil das Regierungslager in Berlin (im weiteren Text „Anstalt B“) aus der Lethargie befreit worden. Es könnte nun ein großer Schritt in Richtung Klimaschutz unternehmen. Das Wörtchen „könnte“ beinhaltet aber, das es wahrscheinlich nicht so kommen wird.
Klimaschutzgesetz: Karlsruhe for Future?
Die Karlsruher Richter haben die Aufgabe unsere Grundrechte zu schützen, was sie in diesem Fall auch getan haben. Sie sind NICHT die oberste Instanz in Sachen Klimaschutz. Das sind hierzulande die Politiker. Die Politik sollte nach den Vorgaben des Grundgesetzes handeln, was aber zu wünschen lässt, weswegen ein Hotel für Aktivisten aus der „Anstalt B“ in Karlsruhe reserviert ist. In vielen Statistiken wird Deutschland nach unten durchgereicht. Zuletzt mit der Schlagzeile:
Das Drama um das neue Transsexuellengesetz, dem Einknicken der SPD trotz der Richtersprüche aus Karlsruhe, weswegen es nun kein neues Gesetz gibt, was auch nicht so schlimm ist, da die Selbstbestimmung auch hier nicht im Mittelpunkt stand, erzählt, dass der Klimaschutz noch lange nicht auf der Zielgeraden ist.
Protest im Wald
Der Sohn der Wüste, Tarek Al-Wazir (stellv. Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in Hessen), und RWE-Kanzlerkandidat Armin Laschet, haben im letzten Jahr den Klimaaktivisten gezeigt, in welche Richtung sich ihre Art von Klimaschutz bewegt. Besonders Hessens politische Losung
Mercedes und BMW,
satt Wildschwein und Reh
hat viele fassungslos in die Bäume getrieben.
Man mag zwar hier und da das Eingreifen der Polizei, die Hetze mancher Medien zu Recht anprangern, auch die Reaktionen der Klimaaktivisten, aber gefordert war und ist die Politik. In Garzweiler ähnlich. Ministerpräsident Laschet ist RWEler durch und durch, da verwundert es weniger, wenn Hundertschaften gegen Klimaaktivisten eingesetzt werden. Aber Hessens Wirtschaftsminister, mit Sonnenblume auf grünem Grund … das schmerzt schon sehr. Sein Grün für den Klimaschutz lässt arg zu wünschen übrig. Sein Einsatz für den Dannenröder Forst? Fehlanzeige, den hat es nicht gegeben. Aber ähnliches kennen Frankfurter nicht anders von ihren „Grünen“ (Schweigegelübde Flughafenausbau).
Stimmen für den Klimaschutz?
Alle vergessen darüber hinaus, dass Bäume wachsen müssen. Sie benötigen Zeit, viel Zeit, die wir nicht mehr haben.
Eine ausgewachsene Buche vernichtet im Durchschnitt 40 % mehr CO2 als eine schnell wachsende Fichte. Dies nur am Rande bemerkt, wenn die Rede von Wiederaufforstung etc. ist. Alte, große Bäume binden bis zum Ende ihres Lebenszyklus so viel Kohlendioxid, diese Menge können wir in unserer Lebenszeitspanne gar nicht aufforsten. Und das alles wegen einer Autobahn, Fabrik oder/und Landebahn.
Was Bäume für einen coolen Job erledigen (so und so), kann auf Nature First nachgelesen werden.
Zurück nach Karlsruhe.
Nun hat das Gericht § 20a des Grundgesetzes genommen und bemängelt, dass das Klimaschutzgesetz keine konkreten Reduktionszenarien über das Jahr 2030 hinaus festschreibt. Die meisten Anstrengungen und möglicherweise auch die tiefgreifendsten Entbehrungen verlangen die letzten Prozente. Und die gehen zulasten zukünftiger Generationen, die, so das Gericht, unvertretbar hoch und unzumutbar wären. Also muss nun der Gesetzgeber bis Ende 2022 für die Jahre nach 2030 Regelungen finden und nachliefern.
Wer nun gedacht hat, dass aus der Anstalt B das große Klagen ertönt, wurde eines Besseren belehrt:
„Die Richter haben dieses Gesetz in einem wichtigen Punkt korrigiert, und das ist ein großer Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden …
Peter Altmaier (Wirtschaftsminister)
Ich habe bereits im September des letzten Jahres darauf hingewiesen, dass wir einen großen, parteiübergreifenden Konsens brauchen, einen gesellschaftlichen Konsens brauchen und dass wir genau das machen müssen, was Karlsruhe entschieden hat: Nämlich für jedes Jahr einen Reduktionsschritt festlegen, damit am Ende die jungen Leute von heute nicht die gesamte Last oder einen Großteil der Last in 20 Jahren tragen müssen.“
Die, die die ganze Zeit auf der Klimabremse standen, legen eine 180° Kehrtwende hin – dem Klimaschutz zuliebe.
Ziviler Ungehorsam
Machen wir uns nichts vor, im Herbst ist Bundestagswahl. Altmaier (€DU), Laschet (€DU) und auch Scheuer (€SU) – letzterer bekannt durch die Scheuerwende1, ebenso Julia Klöckner (€DU), haben es mehr mit der Wirtschaft, den Verbänden als mit dem Klima. Sie trifft man bei den Konzernen am Mittagstisch und hört sie dort mit ganz anderen Worten Reden halten … Hier und da halten sie auch schon mal ein Firmenlogo in die Kamera.
Merke: Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing.
Volksmund
Darüber hinaus befinden sich die Regierungsparteien in den Umfragewerten im „freien Fall“. Geht das weiter so mit der CDU, dann dürfte sich das mit dem RWE-Kanzlerkandidaten erledigt haben. Deswegen die plötzliche Klima-Wende. Außerdem, wie sieht es denn aus, wenn ein Kanzlerkandidat der Union Karlsruhe die kalte Schulter zeigt.
Es stehen nun einige Themen, dank Karlsruhe, wieder auf der Tagesordnung:
Zum einen dürfte die Debatte über einen schnelleren Kohleausstieg mächtig an Fahrt aufnehmen. Das bisherige Ziel, bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Kohleverstromung auszusteigen, ist nicht mehr zu halten, dürfte auch nicht ausreichen.
Der CO₂-Preis im Verkehr und bei Gebäuden müsste erhöht werden, damit hierzulande klimafreundlicher gedacht und gehandelt wird. Kommt das Aus für Verbrennungsmotoren, und wenn ja, wann kommt das Aus für Autos mit Verbrennungsmotor, angetrieben von fossilen Kraftstoffen?
Noch eine Landebahn für den Flug von Berlin, München nach Frankfurt?
Und was ist mit dem Tempolimit? Weiterhin klimaschädliches rasen auf deutschen Autobahnen?
Das sind Themen, die nicht erst seit gestern im Raum stehen.
Bis aber die „grüne“ Tapete im Haus namens Deutschland angebracht ist, sind einige Investitionen nötig, kostet es uns weitere Milliarden, nicht nur die 4,3 Milliarden, die für RWE und die ostdeutsche Leag für den Kohleausstieg bereitgehalten werden. Nun rächt es sich, dass im Zuge der milliardenschweren Corona-Hilfen der Klimaschutz völlig ausgeklammert wurde. Mehr als 100 Jahre Happy Hour, nun von oben auf den Planeten Erde geschaut: „Dumm gelaufen.“
Klimaschutz ist Generationengerechtigkeit
Auch wenn Deutschland derzeit mit weniger als zwei Prozent zum weltweiten Treibhausgas-Ausstoß beiträgt, was für etwa ein Prozent der Weltbevölkerung ziemlich viel ist, wir auch mit all den anstehenden Maßnahmen den Klimawandel nicht aufhalten können, wir sind alle Anstrengungen den Generationen nach uns schuldig.
Und deswegen:
Keine Ausflüchte mehr! Kein profitgesteuertes Handeln mehr nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut.“
Ob die €DU/€SU-“Elite“ bereit ist dem Karlsruher Urteil für den Klimaschutz Taten folgen zu lassen, wird der 6. Mai zeigen, denn dann treffen sich auf Ministerebene die klimapolitischen Entscheider aus aller Welt zum Petersberger Klimadialog. Dieses Mal geht es nicht um Autokonzerne, um Kohle und andere „rettende Wirtschaftsmaßnahmen“, sondern um die nächste UN-Klimakonferenz. Die will vorbereitet werden und es gilt die Vorgabe aus Karlsruhe: Generationengerechtigkeit herstellen.
Wenn Politik sich nicht an die Vorgaben aus Karlsruhe hält, den Klimaschutz weiter sträflich vernachlässigt, was keine Folgen für Politik hat, Politiker das im Kalkül haben, bleibt wieder nur, wie in einer anderen Zeit, der zivile Ungehorsam:
„Und da bin ich allerdings auch der Ansicht, dass es auch außerordentlich demokratisch ist, wenn es Leute gibt, die trotz all dieser Verbote (Gesetze) die einzige Öffentlichkeit, die dann für sie bleibt, nämlich die der Straße, benutzen und davon öffentlich Gebrauch machen.“
Ulrike Meinhof
weiterführender Meinungslink (Nachtrag 02./06.05.2021):
Recht auf Zukunft
Mit der Koalition ist kein Staat mehr zu machen
Wenn die Dürre bleibt, gehen die Bäume (vom 20.09.2022)
Bildernachweis: Pixabay / Pexels / Beitragsbild von Markus Spiske auf Unsplash (modifiziert)
¹ Scheuer-Wende (vormals Povalla-Wende):
So wird ein Verfahren bei der Bahn bezeichnet, das die Pünktlichkeit in der Statistik steigert. Zugausfälle werden nicht erfaßt.
Damit die Pünktlichkeit wieder hergestellt wird, endet ein verspäteter Zug unterwegs, dreht früher um, damit er auf dem Rückweg wieder in den Fahrplan kommt. Deswegen hört man öfters in Frankfur„:
“ICE 575 von Hamburg nach Stuttgart mit Halt in Mannheim fällt leider heute aus“ (Beispiel).
Grund: In Göttingen, Kassel oder Fulda wurde die Scheuer-Wende vollzogen.