Kein Bock auf Datenschutz

Kein Bock auf Datenschutz

Queer und Datenschutz? Kein Bock!

Technobässe dröhnen weithin hörbar. Auf dem Platz zwischen Dom und Bahnhof herrscht reges Treiben. Regenbogenfahnen heißen die Besucher willkommen. An einem Stand drehen Jugendliche eifrig ein Glücksrad. Auf einem Tisch etwas abseits liegt ein Papierbogen mit der Überschrift: „Petition für mehr queere Räumlichkeiten.“ Viele haben sich bereits eingetragen. Am Tisch steht jemand mit regenbogenfarbenen Halbfingerhandschuhen, scheinbar um sich einzutragen. Er nimmt sein Smartphone und fotografiert die Liste ab. Anschließend geht er zu jemandem am Stand mit dem Glücksrad, deutet auf den Tisch mit der Petition und fragt: „Kein Bock auf Datenschutz?“

Ich möchte jetzt nicht den kompletten Dialog hier wiedergeben. Jedenfalls hat es die Verantwortlichen des Standes, die auch die Petition betreiben, wenig interessiert, trotz des Hinweises, dass das nicht für ihren Datenschutz spricht und sehr grenzwertig ist.

Szenario: Jemand kommt, fotografiert die Liste ab und sucht dann die jungen Menschen auf, die die Petition unterschrieben haben. Was diese Menschen dann im Schilde führen oder geführt haben, werden die Osthessen News verbreiten.

Datenschutz ist nicht schwer

Mich haben diese jungen Menschen gefragt, als ich Standdienst hatte, was mit den Listen passiert. Ich konnte ihnen keine zielführende Antwort geben, da es auch kein Schriftstück dazu gab. Ich habe die Listen dann genommen und in einen Ordner gesteckt. Das war schon gar nicht recht, sie wurden von den Verantwortlichen wieder herausgeholt.

„Die müssen doch unterschreiben.“
/me: „Müssen tun sie gar nichts, und wenn, dann ein Blatt pro Unterschrift. Noch Corona im Kopf?“

Dialog

Es wäre so einfach:

  • Menschen fragen, ob …
  • Liste aus dem Ordner holen, aufkommende Fragen beantworten, unterschreiben lassen
  • Liste wieder in den Ordner

Aber wie das dann so ist, eher weinen Bäume, als dass Menschen einsichtig werden.

Und dann kommt es, wie es kommen musste: Zwei Stunden später, als alle mit sich beschäftigt waren, ging ich hin und fotografierte eine Liste ab. Wieder eine kleine Zeitspanne später ging ich zu einem/r Verantwortlichen hin und zeigte mein Handy mit der Liste: „Erscheint morgen im Blog.“ Der Mensch vergrößert das Bild mit zwei Fingern, um zu prüfen, ob es auch scharf ist, was natürlich der Fall war. „Zeiss, Objektiv Marke Adlerauge“, war mein Kommentar.

Ich weiß nicht, was jener Mensch in diesem Moment dachte, der Blick erzählte einiges.

Datenschutz? Kein Bock!
Wir fordern: Wohnadressen queerer Menschen im Raum Fulda

Die Gleichgültigkeit der Meta- und TikTok-Junkies

An anderer Stelle, auf einer Veranstaltung im Main-Kinzig-Kreis, wurde vorher gefragt: „Wer möchte nicht aufs Bild?“ Kein Bock auf TikTok/Meta, mein Finger ging hoch, ich stellte mich abseits, und dann wurde gefilmt. Anderntags konnte ich den Film auf TikTok/Instagram bewundern – mit mir. Nach einer nicht netten Protestnote wurde neu geschnitten, ohne mich im Film zu haben, und das Ergebnis online gestellt. Die vorherige Version wurde aus der Timeline entfernt – mit der Annahme diese sei nun überall gelöscht. :facepalm:

Unter diesen Umständen wird es immer schwerer, sich irgendwo noch zu engagieren. Ich habe kein Bock mehr, mich irgendwo einzubringen, wo das ureigenste Recht mit Füßen getreten wird, weil der Ego-Drang neuen Content für die (a)sozialen Medien zu erstellen, überwiegt.

Zurück zur Petition: An jenem Spätnachmittag gab es noch ein anderes Szenario. Es wurde gefilmt, um es gleich online stellen zu wollen. In diesem Fall war meine Anwesenheit ein Innehalten wert, und jene Passagen wurden ausgelassen, wo Menschen in Nahaufnahmen zu sehen waren, die ganz gewiss KEINE Einwilligung gegeben haben. Persönlich finde ich es toll, wie flott Jugend das auf den Handys hinbekommt. Sie wissen eben wie. Ich bekomme es nicht hin.

Wir/Ich fordere/n, dass die queere Community den Datenschutz, die Rechte anderer achtet.

Die Queerness im weiten Rund hat nicht das Recht, ihre Rechte über die Rechte anderer zu stellen.
Merke: Den Datenschutz, das Bildnisrecht/Recht am eigenen Bild knipst auch kein Regenbogen-Event aus.

Beitragsbild: Foto von Matthew Henry auf Unsplash

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