Ein Wintermärchen aus Frankfurt nach Friedrich Stoltze

Ein Wintermärchen aus Frankfurt nach Friedrich Stoltze

Ein Wintermärchen kann nur im Winter erzählt werden. Dieses erzählt vom Duft der Bratäpfel, von der guten alten Zeit und von bitterkalten Tagen in Frankfurt.

Aber erst eine kleine Vorgeschichte …
In meiner Grundschulzeit war es gang und gäbe, dass uns Kindern Wissen, Märchen und Geschichten um die Heimat vermittelt wurden. Heimat war nicht Berlin, nicht Bonn, vielleicht mit ach Ach und Weh Kassel, da Hessen, nein, Heimat war Frankfurt und ein bisschen Offenbach (Lederstadt und die Schlappekicker der Eintracht).
Und in jener Zeit roch es des Öfteren im südlichen Teil Sachsenhausens nach Malz(Bier) durch die Binding- und Henninger-Brauerei und in Alt-Sachsenhausen nach Apfel-Trester. Ich glaube, so nennt man gepresste Äpfel, die bei der Herstellung von Apfelwein übrigbleiben. Und gegenüber von Frau Rauscher gab es eine Brezelbäckerei, dort den Brezelbruch in der Tüte für 20 Pfennig, was mir öfters einen Eintrag ins Klassenbuch einbrachte: “Ißt während des Unterrichts.” Brezelbruch sind Brezel, die nichts geworden sind, nicht verkauft werden können (kaputt oder so). Aber unwiderstehlich lecker.

Und eben aus dieser Zeit stammen die Geschichten, die in meinem Gedächtnis kleben, bis ich sterb. Aus dem Unterricht um “Mei Frankfort” gibt es Erzählungen vom Karl (Karl der Große), der 9 in der Fahne am Eschenheimer Turm bis zum Brickegickel.

Ein Wintermärchen aus Frankfurt

Und dann gab es noch die Erzählungen von Friedrich Stoltze. Eine Erzählung gebar im tiefsten Winter und handelt vordergründig um den Weihnachtsbrauch. Die tiefere Frankfurter Lebensweisheit findet man aber auf einer anderen Ebene. Und das zeichnet das Frankfurter Herz aus.

Da in meiner jungen Zeit auch Schul-/Elternziel war, das “frankforterisch” aus der Sprache verschwinden zu lassen (Hochdeutsch schreiben und reden), blitzt die Muttersprach’ nur noch hier und da auf. Die Mühe zählt in diesem Fall.


“Von wolle un net könne” nach Friedrich Stoltze

Wintermärchen nach Friedrich Stoltze
Wintermärchen

De Gedallie war ein Schmarotzer wie er im Buch steht und üwerall bekannt. Wo’s was gutes gab zu achle, war er bei de Hand, erst recht zur Weihnachtszeit. Überall hat er sich eigelade, ob des de Leut’ recht war oder net, de Gedallie hat am Tisch gesesse. Awer noch kaan Frankforter hat dem Gedallie sei Haus von inne geseh’n. Un des hat den Nadam gefuchst bis dort enaus, und doch hat er zu dem Wanst vor Heillsch Abend gesproche: „Komm zum esse moie Abend, wenn de kannst.“
De Gedallie sprach: „Freilich komm ich nach Sachsehause, zu de gute Leut’“, und dachte sich, die Fraa vom Nadam, die is bekannt, macht se doch die best Weihnachtsgans.

Am Heilisch Abend war es bitterkalt in Frankfurt, so kalt war noch kaan Winter. Kaan Hund würd’ mer auf die Gass schicke, selbst der heiße Ebbelwoi gefror im Glas, so kalt war es. Der Wind pfiff über die „Aal Brück’“, doch man sah den Gedallie von Hibbdebach nach Dribbdebach laafe. Dick eingemummelt und allen Winden trotzend, auf dem Weg zum Nadam in die „Klaa Rittergass’“ nach Sachsehause.

De Geruch von Bratäppel und Weihnachtsgebäck lag in der Luft. Des Gedallies Gang wurde schneller, wollte er doch pünktlich sei. Doch als er vor dem Hause Nadam war, war die Haustür verschlosse. De Gedallie hat geschellt, gerisse un gezoppt, geruffe un Storm gekloppt.

Da öffnet sich ein Fenster un de Nadam schaut heraus, rief nunner: „Wer schellt, un lärmt so an meim Haus?“
De Gedallie sächt mit scheinheiligem Blick hinauf: „Herr Nadam, ich bin es doch, ich.“
„Ja was gibt’s denn daher, Gedallie“ säscht de Nadam ärgerlich.
„Was es gibt? Wie kann ich es wisse? Ebbes Gutes wird’s doch sei, haste mich doch eigelade, aber kann ich denn enei? Hast gesacht, komm zum esse, komm zum esse, wenn de kannst. Un jetzt bin ich da Herr Nadam, doch des Haustor is verschanzt.“
Un de Nadam rief e nunner: „Sooooo? Verschlosse is des Tor? Is verschlosse, Freund Gedallie? Werklisch? Doch wer kann davor? Ja, ich hab dir eingelade. Awer was hab ich gered? Wann de kannst, so komm zum esse. Kannste? Naaaa, du kannst ja net.”

 

Das war für alle die versprochene Frankfurter Weihnachtsgeschicht’ von „Wolle und net könne“ nach Friedrich Stoltze. Dieses Wintermärchen erzählt auch von de echte Frankfurter Leut’, die ein großes Herz auf dem rechten Fleck haben, mit Witz und List ihr einzig Frankfurt in die Welt hinaus tragen.

Euch allen ein schönes Weihnachtsfest und knackig kalte Wintertage mit einer großen Portion Schnee.

Ein Schneeflockengruß aus dem Frankfurter Eck.

 
Das Wintermärchen wird hin und wieder zur Weihnachtszeit hochgeschubst oder als ersten Beitrag angepinnt / erstellt 24.12.2014


(nach Friedrich Stoltze)
Friedrich Stoltze Museum
Winter in Frankfurt (Historische Bilderstrecke der FNP)

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